BROKEN ARROW
Scope. USA 1995. Produktion: Twentieth Century
Fox. Produzenten: Mark Gordon, Terence Chang, Bill Badalato. Regie:
John Woo. Buch: Graham Yost. Kamera: Peter Levy. Musik: Hans Zimmer.
Schnitt: John Wright, Steve Mirkovich, Joe Hutshing. Darsteller: John
Travolta (Vic Deakins), Christian Slater (Riley Hale), Samantha Mathis
(Terry Carmichael), Delroy Lindo (Colonel Wilkins), Howie Long (Kelly).
Ca. 100 Min. Verleih: 20th Century-Fox.
Von zwei befreundeten
Kampfpiloten entpuppt sich der eine als Verräter. Während
eines Übungsfluges bringt er den Bomber zum Absturz und damit zwei
Atombomben in den Besitz von Erpressern. Actionfilm-Spezialist Woo
gelingen eindrucksvolle Aufnahmen vor der Kulisse der Wüste von
Utah; er verbindet Akrobatik und Feuersbrünste mit
kämpferischem Pathos zu einem großen Actionspektakel,
allerdings eingebettet in eine allzu schlichte, häufig variierte
Weltrettungsgeschichte. - Ab 12.
Paradshanow - ein Requiem
Deutschland/USA 1994. Produktion:
KINO-Productions/Ö-Film. Produzenten: Dorothea Holloway, Frank
Löprich, Katrin Schlösser. Regie und Buch: Ron Holloway.
Künstlerische Mitarbeit: Gordian Maugg. Kamera: Thomas Schwan.
Musik: Urmuli Folklore. Schnitt: Monika Schindler, Walter Vögele.
57 Min. (O.m.engl.U.)
"Du kannst es nicht auf der Filmhochschule
lernen. Du mußt damit geboren werden." Der Mann mit den buschigen
schwarzen Augenbrauen und dem schlohweißen Bart fügt seine
Worte wie ein Testament: Regisseur zu sein, bedeutet für ihn,
Visionen in Bilder zu fassen, zu suggestiven Tableaus jenseits des
"Schwatzkinos". Und sich damit immer wieder auf die eigenen Wurzeln zu
besinnen: die Eltern, die Heimat, die Träume. - Zwei Jahre vor
seinem Tod gab der Armenier Sergej Paradshanow, der 1924 geboren worden
war, wichtige Filme in der Ukraine drehte und 1990 in Jerewan starb,
Auskunft über sein Leben. Jetzt hat Ron Holloway das während
des Münchner Filmfests aufgenommene Material zu einem Requiem
verdichtet: eine Reise in die Motiv- und Gedankenwelten des bedeutenden
Cin‚asten.
Paradshanow erinnert sich: zum Beispiel an die
Lehrmeister der Moskauer Filmhochschule. Schon bei der Diplomabnahme
seiner ersten Arbeit, des Kinderfilms "Andrijesch" (1955), geschah ein
kleines Wunder. Alexander Dowshenko, der ukrainische Kinopoet,
wünschte sich begeistert, dieses Debüt ein zweites Mal
anschauen zu können - das einzige Mal in der langen Geschichte des
WGIK, daß so etwas passierte. Auch von einem anderen Lehrer, Igor
Sawtschenko, weiß Paradshanow eine bezeichnende Anekdote zur
berichten: Wenn dessen Studenten ihre ersten Regiekontrakte
unterzeichnet hatten, lud er sie in seinen Mercedes, fuhr sie auf dem
Moskauer Gorki-Boulevard spazieren und kaufte ihnen Socken für die
"nackten" Füße - so nahm er teil an ihrem Glück, keine
Schüler mehr, sondern vielleicht schon bald Meister zu sein...
Sawtschenko war es auch, der die Studenten dazu anhielt, neben ihrer
Filmarbeit zu zeichnen. Für Paradshanow wurde die Malerei ein
Lebenselixier; auch darüber reflektiert er in Holloways Film. Als
er wegen Kunstschmuggel, Devisenhandel und Homosexualität
verhaftet worden war ("Ich soll 340 Kommunisten vergewaltigt
haben..."), gewann er aus dem Malen Kraft: "Ich hatte nur eine
Alternative: unterzugehen oder Künstler zu werden." Im
Gefängnis und Straflager faßten die Mithäftlinge
Vertrauen zu ihm. Und sie erzählten ihm ihre Biografien; er
avancierte gleichsam zu ihrem Beichtvater. "In meinem Kopf", erinnert
sich Paradshanow, "wurden diese Geschichten zu einer riesigen Sammlung
von Novellen, Poemen und Stücken. Vier davon plane ich bald zu
verfilmen."
Sergej Paradshanow hätte allen Grund gehabt, vor
der Kamera seine Verbitterung herauszuschreien: auf Grund der
langjährigen Haft, aus der ihn nicht zuletzt die internationale
Solidarität von Künstlern - Louis Aragon, Elsa Triolet oder
John Updike - zu befreien half. Haßerfüllt hätte
Paradshanow aber auch wegen der ideologischen Barrieren sein
können, auf die er in der Sowjetunion immer wieder stieß.
Die Gralshüter des sozialistischen Realismus warfen ihm, dem
Visionär, regelmäßig vor, er sei ein Surrealist, der
die gesellschaftlichen Strukturen nur als Chimäre betrachte.
Wäre es bei verbalen Attacken geblieben, man hätte sie
belächeln können - aber ein Filmemacher bedurfte für
seine Entfaltung der Gunst der staatlichen Obrigkeit. Und die wurde
Paradshanow jahrelang verwehrt: Sein Oeuvre geriet so zum Torso.
Dennoch stellt er sich nicht als Märtyrer dar. Stattdessen geht
von ihm ein Gefühl von Güte und Weisheit aus: Schönheit,
die von innen leuchtet.
Holloway montiert zwischen die
Interviewpassagen diverse Privatfotos, dazu Videobeobachtungen von
Auftritten Paradshanows in München oder Venedig, vor allem aber
Ausschnitte aus den elf Filmen des Regisseurs. Darunter aus jenen
Werken, die, seit "Schatten vergessener Ahnen" ("Teni sabytych
predkow", 1965), dessen legendären Ruf begründeten.
Aufschlußreich einige Reminiszenzen an Produktionsbedingungen:
Für "Die Farbe des Granatapfels" ("Sajat Nowa", 1969) etwa standen
Paradshanow weder Kodakmaterial noch Kameras für Spezialeffekte
zur Verfügung, die Wirkung des phantastischen, stark stilisierten
Märchens kam einzig aus der "absoluten Einfachheit". Darin
fühlte sich der Regisseur seinem großen Vorbild verwandt:
Pasolini, "ein Gott". "Kerib, der Spielmann" ("Ashik Kerib", 1988)
aber, den Paradshanow den Kindern der Welt widmete, hatte für ihn
eine besondere Bedeutung: "Gerade nach diesem Film möchte ich
sterben, weil ich ihn über alles liebe." Dämmerte in
Paradshanow die Ahnung, daß ihm eine schwere Krebskrankheit
diesen merkwürdigen, sentimentalen Wunsch erfüllen
würde? Zumindest hatte er, als er ihn äußerte, noch
große Pläne. In Deutschland wollte er sich um eine
Verfilmung des "Faust" bemühen, dessen Kenntnis er als unbedingt
notwendig für die heranwachsende Generation ansah. In den USA
interessierte ihn die Adaption einer alten Indianerlegende, "Hiawatha".
Beide Projekte blieben vage; die Hoffnung, Geldgeber zu finden, schien
gering. Bezog sich seine Interviewsentenz über den Tod vieler
Gleichaltriger - zum Beispiel Tarkowskij - nicht also auch auf ihn
selbst: "Ich betrachte es als eine große Tragödie, daß
viele Meister früh sterben, ohne ihre Kreativität ganz
entfalten zu können"?
Holloways "Requiem", das leider schon
nach einer Stunde zu Ende ist, macht Lust auf die (erneute) Begegnung
mit Paradshanows Werken. Mit ihrer kraftvollen archaischen Metaphorik,
ihrer gedanklichen und formalen Opulenz dürften sie heute erst
recht als Fremdkörper in einer von Hollywood dominierten,
weitgehend illustrativen Kinowelt wirken. Dennoch oder gerade deshalb
bleiben sie unvergeßlich. · Ralf
Schenk
Der Journalist und Filmhistoriker Ron Holloway
nähert sich dem Leben und Werk des armenischen Cin‚asten Sergej
Paradshanow (1924-1990). Interviewsequenzen von 1988, Filmausschnitte,
Fotos und Videobeobachtungen werden zu einer schlüssigen Biografie
verdichtet, die, von Anekdotischem ausgehend, zum Wesen von Kunst
vordringt. Ein faszinierender Nachruf auf einen Regisseur, dessen
visionäres Oeuvre sich nie dem Kanon des sozialistischen Realismus
beugte, und der in der Sowjetunion deshalb immer wieder behindert
wurde. - Sehenswert ab 16.
Weitere Informationen finden Sie auf den WWW-Seiten des
film-dienstes
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