ALL OVER ME
ALL OVER ME
USA 1996. Produktion: Medusa Pictures. Produzentin: Dolly Hall. Regie: Alex
Sichel. Buch: Sylvia Sichel. Kamera: Joe DeSalvo. Musik: Miki Navazio. Schnitt:
Sabine Hoffmann. Darsteller: Alison Folland (Claude), Tara Subkoff (Ellen), Wilson
Cruz (Jesse), Cole Hauser (Mark), Pat Briggs (Luke), Leisha Hailey (Lucy). 90 Min.
Verleih: Delphi.
New York City: Die Teenager Claude und Ellen stehen am Scheideweg. An ihrem
vorletzten Schultag lungern sie wie immer auf Claudes Bett herum, schwadronieren
über Gott und die Welt. Sie wollen eine Rockband gründen und schrammeln schon
mal ein wenig auf ihren Gitarren herum. Ellen schwärmt fortwährend von Mark und
will auch ihre beste Freundin in dessen Kreise einführen. Doch Claude schreckt
instinktiv davor zurück: vielleicht, weil dort Drogen im Spiel zu sein scheinen,
vielleicht auch nur, weil sie eifersüchtig ist. Wie auch immer - nach dem
Schulabschluß entfernen sich die beiden Mädchen fast unmerklich voneinander.
Ellen läßt sich vorbehaltlos auf Mark ein, Claude tingelt einsam durch die tristen
Straßen des Viertels "Hell's Kitchen", jobbt in einer Pizzeria und freundet sich mit
einem jungen Gitarristen an, der eben erst in ihren Block gezogen ist. Ellens
Gefühlslage ist instabil, für sie selbst nicht recht festmachbar. Leicht ist die
Abnabelung nicht zu haben. Es kommt zur Konfrontation zwischen Ellens Liebhaber
Mark und dem charismatischen Gitarristen Luke. Ellen entfernt sich immer weiter
von Claude, gerät in völlige emotionale und körperliche Abhängigkeit - denn Mark
handelt tatsächlich mit Drogen, tötet sogar später den als homosexuell "geouteten"
Luke. In einem Akt des Aufbäumens entschließt sich Claude, reinen Tisch zu
machen: Sie unterzieht ihr Mädchenzimmer einer drastischen Reinigung, zeigt Mark
bei der Polizei an und bekennt sich zur bisher nur unterschwelligen
Liebesbeziehung zu Lucy, einer lesbischen Rockgitarristin.
Mit "All Of Me" verhält es sich ein wenig wie mit "Kids" (fd 31 598) oder "Fun -
Mordsspaß" (fd 31 446): Den Versuchen der "erwachsenen" Künstler, den
schnoddrigen Jargon von Jugendlichen in die Kunstsprache eines Spielfilms zu
transportieren, haftet stets eine gewisse Theatralik, sogar Anbiederung an - auch
wenn der Slang noch so authentisch und natürlich von "richtigen Teens"
vorgetragen wird. (Abgesehen davon, daß durch die mehr oder weniger gelungene
Synchronisation viel an Atmosphäre verloren geht.) Hinzu kommt in diesem Fall
noch ein auffälliges Maß an Schematismus. Jede Szene, jeder Dialog, ja noch jede
Gebärde der Darsteller scheint wie am Reißbrett entworfen. Alles stimmt, aber nichts
geht auf: ein bißchen Elternhaus, ein bißchen Love Story, ein bißchen Konflikt. Die
Zielgruppe steht ohnehin fest. Alison Folland als Claude bringt in der Tat eine
große Portion natürlichen Charmes mit, ist allerdings vor den spekulativen
Absichten der Filmemacherinnen nicht gefeit. Unerträglich wird es, wenn deren
simples Böse-Gut-Schema in Parallelmontagen mündet: der machohafte Mark
mißbraucht die virginale Ellen auf brutale Art und Weise (sirenenartige Gitarren
warnen für besonders schwerfällige Zuschauer), die pummelige Claude erlebt
lesbische Liebe als zuckersüßes Paradies auf Erden. Kitsch bleibt Kitsch, auch
wenn er politisch korrekt für Minderheiten aufbereitet wird.
· Claus Löser
Eine New Yorker Oberschülerin muß zwischen der Vertrautheit mit ihrer ehemals
besten Freundin und dem Bekenntnis zu völlig neuen Erfahrungen wählen. Ein
Film, der trotz des natürlichen Charmes der Darstellerinnen allzu kitschig bis
spekulativ ist. Fragwürdig wird er, wenn simple Gut-Bös-Schemata auf die Frage
nach Homo- oder Heterosexualität reduziert werden.
Weitere Informationen finden Sie auf den WWW-Seiten des
film-dienstes
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