f l e i s c h
g e r i c h t e
Coniglio in umido
Geschmortes Kaninchen in Tomate
Kaninchen haben in Deutschland einen unangebracht schlechten Ruf als
"Dach-Hasen". Offenbar wurde in der Kriegs- und Nachkriegszeit manch Katze
an Kaninchens Stelle in den Topf gepackt.
In Italien ist Kaninchen häufig auf der Speisekarte anzutreffen und ohne
weiteres in Schlachtereien zu bekommen. In Braunschweig muß man schon
ein bißchen suchen, bis man Kaninchen bekommt. Auf dem Wochenmarkt
findet man aber Stände, die dieses Haustier tot und zum Verzehr
anbieten.
Die vorgeschlagene Zubereitungsart ist nur eine unter vielen, es gibt
Varianten mit Oliven, ohne Gemüse nur in Weißwein (in diesem Fall
am liebsten Vernaccia) oder mit Trockenobst, ganz nach den regionalen
Vorlieben.
Zutaten: (für 4 Personen)
1 totes Kaninchen, wenn möglich schon zerlegt, sonst braucht
man noch ...
... evtl. 1 Hackebeilchen
(eine Geflügelschere ist unzureichend!)
1 Bratentopf oder 1 große Pfanne mit Deckel
ca. 8 EL Öl zum Anbraten
1 Zwiebel
1 Stück Sellerie
2 Möhren
2 Knoblauchzehen
2 EL Öl zum Anbraten
0,2 l Rotwein, z.B. ein Chianti
1 Dose Tomaten (groß, ca. 850 ml)
1 große Dose Tomatenmark (ca. 2 EL)
1 Zweiglein frischer Rosmarin
1 Lorbeerblatt
einige Salbeiblätter
Salz, frisch gemahlener Pfeffer
Zubereitungszeit: 45 Minuten (plus 30 - 60 Miunten Garzeit)
Das Kaninchen in mundgerechte, nicht zu große Teile zerlegen. In
einer hohen Pfanne mit Deckel oder einem breiten, niedrigen Topf 4 EL
Öl erhitzen.
Wenn das Fett richtig heiß ist, so daß es sich wellt oder
an einem hineinghaltenen Holstiel Blasen aufsteigen, den Boden mit
einigen Kaninchenteilen bedecken und die Teile von allen Seiten
kräftig goldbraun anbraten. Dabei jede Seite einige Minuten
anbraten bis keine blassen Stellen mehr zu sehen sind.
Bei einem Kaninchen benötige ich zumeist 2 - 3 Durchgänge beim
Anbraten. Ist die erste Lage schön angeknuspert, nehme ich die
Teile aus der Pfanne und stelle sie auf einer Platte bereit. Ich gebe
bei jedem neuen Durchgang noch etwas Öl in die Pfanne, etwa 2 EL.
Tip: beim Anbraten lege ich auf die nichtgenutzten Herdbereiche
alte Zeitungsseiten, um das spritzende Fett damit aufzufangen. Das
Saubermachen nach dem Kochen ist dann etwas einfacher. Im Grunde bin
ich näch schrecklich faul!
Während die Kaninchenteile brutzeln, bleibt Zeit, das Gemüse
zu putzen. Die Zwiebel, der Schnitz Sellerie und die Möhren
müssen geschält und dann in Würfel geschnitten werden.
Die beiden Knoblauchzehen in feine Scheiben schneiden.
Wenn die letzte Portion Kaninchenteile fertig angebraten ist, diese auf
die Platte stellen und das Fleisch kräftig mit Pfeffer und Salz
würzen. Die Herdplatte regele ich auf mittlere Hitze herunter und
gebe das kleingeschnittene Gemüse zum Andünsten in die Pfanne.
Sobald das Gemüse weich ist, gebe ich den Knoblauch dazu und lege
die Kaninchenteile wieder dazu - der Topf oder die Pfanne muß
groß genug sein, damit alles hineinpaßt.
Dann mit 0,2 l Rotwein angießen, Lorbeerblatt, Rosmarin und Salbei
dazugeben und mit der Dosen Tomaten und Tomatenmark ergänzen. Bei
geschlossenem Deckel und mittlerer Hitze sanft eine 3/4 Stunde schmoren
lassen.
Als Beilage eignet sich kräftiges, frisches Weißbrot mit
herzhafter Kruste, begleitet von einem knackfrischen Salat.
Wer ist Cornelia?
Bei uns in der Familie heißt dieses Gericht "Cornelia". Wie kam es zu
dem Namen? Es handelt sich nicht, wie man vermuten könnte, um
unser Hauskaninchen namens Cornelia, nein, es geht hier um ein
linguistisches Mißverständnis, oft auch als Hörproblem
bezeichnet.
Das Mißverständnis entstand - wie könnte es bei mir anders
sein? - in der Toskana. Schließlich bin ich von diesem
weitverbreiteten Virus befallen, der mich Jahr für Jahr Richtung
Italien treibt, dummerweise tritt er bei mir in verschärfter Form auf:
Ich missioniere auch noch! In der Hinsicht bin ich also so ziemlich das
Letzte. Vor allem das Stichwort "Lucca" läßt mich auf
unbestimmte Zeit ein Loblied anstimmen.
Einfach entsetzlich.
1995 aber schlug meine Sternstunde: ich konnte meine ganze Familie und
Schwiegerfamilie dazu bewegen, gemeinsam mit mir in die Toskana zu
reisen! Sieben Leute unterwegs, Gruppenreisen leicht gemacht, ab ins
Ferienhaus. Die stehen da ja haufenweise angenehm fürs Auge in der
Gegend rum. Ein Ferienhaus legt ja auch nahe, das sich dort eine
Küche befindet. Mama und Schwiegermama wollten keinesfalls kochen,
sie hatten ja Urlaub. Dieser Entschluß fand allgemeine Zustimmung,
wohingegen meine Äußerung, landesübliche Gerichte selbst nachzukochen,
bei Papa auf größtes Unverständnis traf. "Da fahrt ihr in Urlaub und
stellt Euch dann stundenlang in die Küche!?" Was soll ich sagen? Das
Leuchten in unseren Augen muß ihm wohl entgangen sein.
In den Luccheser Restaurants esse ich gern geschmortes Kaninchen, das dort
noch oft in verschiedenen Variationen auf der Speisekarte anzutreffen ist.
Abends, durch diverse Kochbücher stöbernd, die ich vorsorglich
kiloweise ins Resisegepäck geschmuggelt hatte, suchte ich nach Rezepten
fuer geschmortes Kaninchen. Fündig geworden, schlug ich vor: "Was
haltet ihr von Coniglio in umido?" (sprich: Konniljoh). Schwiegermama bekam
grosse Augen und fragte: "Cornelia? Wer oder was ist denn das?" Tja,
fortan hatte das Kaninchen einen Namen ... ein freundlicher Schlachter in
Viareggio überließ uns gegen ein paar Lire-Scheine eineinhalb
wunderbare Kaninchen.
Gegenüber dem Lorbeer war das Kaninchen unheimlich einfach zu besorgen.
Lorbeer war so richtig schwierig. Meine Mutter, die außer deutsch nur
etwas norwegisch spricht, nahm die Heldinnentat auf sich, in dem kleinen
Dorfladen die restlichen Zutaten einzukaufen. Ich hatte eine Einkaufsliste
mit allen Vokabeln gespickt, darunter auch das Wort Lorbeer (ital.: alloro).
Gab's aber nicht. Nur verständnislose Blicke. Bis dann eine
Dorfbewohnerin aufmerkte, meine Mutter am Ärmel vor die Tür zog,
auf die Hecke zeigte, ein paar Blätter abzupfte und ihr in die Hand
drückte. Aha. Der Groschen schwebte herab: hier kaufte man keinen
trockenen Lorbeer, sondern pflückte ihn frisch. Mmmh, soso. Jeder
folgende Besuch im Dorfladen war nun sehr kommunikativ, speziell mit den
Familienangehörigen, die kein Wort italienisch sprachen.
Wir standen dann übrigens wirklich stundenlang in der Küche. Aber
das Ergebnis war es wert, noch heute schwärmen alle Beteiligten von
Cornelia aus Viareggio.
© 1997, Christine Müller
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